GESCHICHTE - giovedì 5 dicembre 2024
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Die Besatzung Italiens durch Nazitruppen und militärische Einheiten der Sozialen Republik Italien zwischen 1943 und 1945, in der Endphase des Zweiten Weltkrieges, hat in der Zivilbevölkerung mehr als 10000 Opfer gefordert.
Die Toskana war eines der am stärksten betroffenen Gebiete, möglicherweise auf Grund ihrer strategischen Lage. Hauptsächlich zwischen April und August 1944 kam es zu insgesamt mehr als 280 Massakern in 83 Städten und Gemeinden mit etwa 4500 zivilen Opfern. Nach dem Durchbruch der Alliierten an der Gustavlinie bei Cassino und nach der Befreiung Roms am 4. Juni 1944 verfolgten die deutschen Streitkräfte eine Politik des “aggressiven Rückzugs”, in deren Mittelpunkt die Kontrolle des Gebietes im Apennin zwischen der Toskana und der Emilia stand. Die Herrschaft über diesen Gebirgszug und die umliegenden militärisch wichtigen Gebiete wurde im Sommer 1944 zum zentralen Problem, da der Rückzug der Deutschen bis zur Gotenlinie unmittelbar bevorstand.
Zwischen dem 8. September 1943 und April 1945 verübten die Deutschen mehr als 400 Massaker (mit jeweils mindestens acht Toten) an der italienischen Zivilbevölkerung. Am Ende betrug die Zahl der Opfer fast 15000. Auf ihrem langsamen Rückzug von Süden nach Norden hinterließen die deutschen Truppen eine lange Blutspur. Nicht nur die Nazis der SS verübten Massenmorde, sondern auch Soldaten der Wehrmacht und der Luftwaffe. Diese Verbrechen wurden zumeist in der Nähe von Stellungen verübt, an denen der deutsche Generalstab den Vormarsch der Alliierten ins Stocken bringen wollte. Dass Faschisten der Sozialen Republik Italien, die so genannten “Jungs von Saló”, an den Massakern mitgewirkt haben, ist eine bewiesene Tatsache. An ihre Komplizenschaft erinnert man sich noch heute mit Schrecken. “Versöhnung” kann es darum nicht geben.
Grundlage für die Massaker waren die folgenden von vielen Historikern hervorgehobenen fünf Faktoren: rassistisch motivierte Vorurteile gegenüber den Italienern oder Vorurteile als Reaktion auf den “Verrat” der Italiener am 8. September 1943, der Wille des Oberkommandos der Wehrmacht und des Generals Kesselring, das italienische Territorium Meter für Meter zu verteidigen, das Erstarken der Partisanenaktivitäten und deren immer dichtere Verflechtung mit der Zivilbevölkerung sowie die durch eine ganze Reihe repressiver Verordnungen dokumentierte Entschlossenheit der Besatzungsmacht , auf Macht- und Überlegenheitsdemonstrationen zurückzugreifen.
Unmittelbar nach Eintreffen der Alliierten machten sich die US-amerikanischen und britischen Streitkräfte daran, Informationen zu sammeln, um jene Offiziere und Soldaten ermitteln zu können, die Massaker verübt hatten. Diese Ermittlungen dauerten zum Teil mehrere Jahre, dabei wurden in Einzelfällen enorme Mengen an Dokumenten zusammengetragen. Aber nur ein Dutzend der 400 ermittelten Massaker führte tatsächlich zu Prozessen, die mit exemplarischen Strafen endeten wie den gegen Herbert Kappler (für das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen in Rom) und Walter Reder (für die Massaker in Marzabotto, in San Terenzo und in Vinca) verhängten.
Mit einem einfachen Stempel und einer illegalen “einstweiligen Archivierung” begrub der damalige Militär-Oberstaatsanwalt Enrico Santacroce im Januar 1960 die 695 Aktenordner, die zu den von den Deutschen verübten Massakern angelegt worden waren. Die Massaker blieben fast alle ungestraft, alle Ermittlungen wurden verschleppt und die 15000 Opfer erfuhren nie Gerechtigkeit. Grund dafür war vor allem politischer Opportunismus, dessen Ursprung im Kalten Krieg und der Notwendigkeit begründet lag, das Verhältnis zu Deutschland am Beginn einer neuen Epoche in den internationalen Beziehungen nicht zu belasten. Der Richter Antonio Intelisano hat dieses Geheimnis zufällig gelüftet, als er 1994, nach 16 Jahren als Chef der Militär-Generalstaatsanwaltschaft, auf der Suche nach Beweisen gegen den im Fall Ardeatinische Höhlen beschuldigten SS-Offizier Erich Priebke in einem Abstellraum des Palazzo Cesi in Rom auf den so genannten “Schrank der Schande” stieß. Der Palazzo ist Sitz der Militärgerichtsbarkeit, hier lagen jahrzehntelang die Akten über die Kriegsverbrechen der deutschen Besatzer versteckt.
Zwischen 1994 und 1996 wurden die einzelnen Akten den zuständigen Militär-Staatsanwaltschaften überstellt. Es kam zu einer Reihe von Prozessen: ein Prozess wurde in Rom gegen Priebke geführt, zwei gegen Theodor Saevecke (verantwortlich für das Massaker auf der Piazzale Loreto in Mailand) und Friedrich Engel (SS-Chef in Genua und Organisator von Massakern in Ligurien) am Militärgericht in Turin - beide wurden zu lebenslanger Haft verurteilt - und schließlich gab es in Verona einen Prozess gegen den ukrainischen SS-Mann Michael Seifert, der nach Kanada geflüchtet war, nachdem er gemeinsam mit seinem Kameraden Otto Sein Dutzende Häftlinge im Kriegsgefangenenlager Bozen gefoltert und ermordet hatte. Auch Seifert wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach diesen ersten Prozessen kam auch Bewegung in die Prozessentwicklung im Falle der Massaker von Sant’Anna di Stazzema, Farneta (Lucca), Marzabotto und Vallucciole. Vor dem Militärgericht La Spezia endete im Jahr 2005 der Prozess wegen der Massaker in Sant’Anna di Stazzema und Farneta.
Zu den umstrittensten Aspekten im Zusammenhang mit den Massakern gehört die Erinnerung der Überlebenden und der lokalen Gemeinschaften, die den Verbrechen zum Opfer fielen. Richtigerweise spricht man hier von der “geteilten Erinnerung”, da die Verantwortung für die Tötungen “aufgeteilt” wird zwischen den Deutschen, den tatsächlichen Tätern bei den Blutbädern, und den Partisanen, die von vielen beschuldigt werden, durch ihre Angriffe die später verübten Verbrechen verursacht zu haben. Wie zuvor schon gesagt, hatte es im Falle zahlreicher Massaker jedoch keiner nennenswerten Partisanenaktionen bedurft. Oftmals genügte der bloße Verdacht, dass sich Partisanengruppen in einem bestimmten Gebiet aufhielten, um die Reaktion der Deutschen auszulösen.
Die Massaker der Nazis waren Teil eines geplanten “Krieges gegen die Zivilbevölkerung”. Die deutschen Streitkräfte terrorisierten gezielt die Zivilbevölkerung, um jegliche Solidarität mit der Widerstandsbewegung zu unterbinden. Nach dem 8. September war für die Soldaten des Deutschen Reiches aus jedem Italiener ein Verräter geworden, ein Komplize der Partisanen und Verbrecher, der nur darauf lauerte, hinterrücks anzugreifen.